Frenetische Stille
von Winkler, Ron
Vom hymnisch mäandernden Großstadtgedicht bis zum aphoristischen Zweizeiler - auch in den neuen Gedichten Ron Winklers finden sich immer wieder jene leuchtenden Fundstücke, die einen Kritiker zu der Bemerkung hinrissen, man müsse ihretwegen eine Popband gründen. "Es muss am Downloadshop gewesen sein ...", so beginnt ein Liebesgedicht von surrealer Modernität. Oder hat sich je ein lyrisches Ich seiner Eltern so erinnert in einem Gedicht, das auch noch "meine mickrige Landkindheit" betitelt ist: "Mutter war die erste gleichmäßige Variable, die wir trafen. / sie existierte in Ungleichheit mit ihrem Mann"? Solch disparate Bilder machen Winklers Lyrik aus, seine Fähigkeit, technisch-naturwissenschaftliches Sprachmaterial dem Gedicht so zu integrieren, dass kühle Begriffe frappierende Verbindungen eingehen mit intimer Sinnlichkeit. Waren die meisten Gedichte seines letzten Bandes technizistisch gegen den Strich gebürstete Naturgedichte, hat sich die Natur aus den neuen Gedichten zurückgezogen. Es bleiben phantastisch-groteske Sprachwelten, paradoxale Strudel, die einer Traumlogik zu gehorchen scheinen. Nimmt man den in der Headline zitierten Vers als verbindlich an, dann hat die Teilmenge dieses neuen Gedichtbandes einiges von der Gesamtschönheit übernommen.
»Man will sich die Gedichte einverleiben. Und zwar schnell! Ein großer Rausch.«
Carsten Klook, Die Zeit